Grande Dame. Nichts passt so treffend zu Schauspielerin Catherine Deneuve wie diese beiden wunderbaren Worte. Sie ist die große Dame des französischen Films, mehr noch: Die meisten ihrer Landsleute sehen sie als die Grande Dame Frankreichs, von der in diesen Tagen besonders häufig die Rede ist, weil sie einen runden Geburtstag feiert.
Eine zeitlos schöne Frau
Am 22. Oktober wird Catherine Deneuve 80 Jahre alt. Man mag es kaum glauben, dass diese außergewöhnliche und zeitlos schöne Frau in die Jahre gekommen ist, denn nach wie vor symbolisiert sie voller Würde französische Kultur, Eleganz und französischen Charme wie keine andere.
Der legendäre französische Filmregisseur François Truffaut (1932-1984), mit dem sie die genialen Filmklassiker "Das Geheimnis der falschen Braut" (1969, mit Jean-Paul Belmondo) und "Die letzte Metro" (1980, mit Gérard Depardieu) gedreht hatte, schwärmte über Catherine Deneuve: "Sie ist so schön, dass ein Film, in dem sie spielt, auch ohne Geschichte auskommt."
Das Talent, ohne das eine solche Karriere nicht möglich gewesen wäre, hat die gebürtige Pariserin von ihren Eltern geerbt. Die Mutter Renée Deneuve (1911-2021) war unter dem Namen Renée Simonot eine bekannte Theaterschauspielerin, der Vater Maurice Dorléac (1901-1973) hatte Erfolg beim Film. Auch die eineinhalb Jahre ältere Schwester Françoise Dorléac (1942-1967) wurde Schauspielerin und galt als eine der großen Hoffnungen des jungen französischen Films.
Im Schatten ihrer großen Schwester Françoise Dorléac
Françoise überredete die 13-jährige Schülerin Catherine in den Sommerferien in dem Film "Junge Rosen im Wind" (1957) mitzuspielen. Der nächste gemeinsame Film war 1960 "Die kleinen Sünderinnen". Von da an war der Weg vorgezeichnet. Um ihrer großen Schwester keine Konkurrenz zu machen, wählte sie den Geburtsnamen ihrer Mutter - und hatte - ohne schauspielerische Ausbildung - als Catherine Deneuve Erfolg.
Den Durchbruch erlebte sie mit dem Filmmusical "Die Regenschirme von Cherbourg" (1964) von Jacques Demy (1931-1990). Diese poetische Geschichte einer zerbrochenen Jugendliebe hat auch das künstlerische Image von Catherine Deneuve nachhaltig geprägt: Fortan galt sie als blonde kühle und geheimnisvolle, bisweilen auch rätselhafte Schönheit. Für ihre Rolle wurde die 21-Jährige mit dem französischen Filmpreis Étoile de Cristal als beste Darstellerin ausgezeichnet.
Der Star der Familie war jedoch die dunkelhaarige Schwester Françoise Dorléac. Sie hatte großen Erfolg im Truffaut-Film "Die süße Haut" (1964), spielte neben Jean-Paul Belmondo (1933-2021) die weibliche Hauptrolle in der Actionkomödie "Abenteuer in Rio" (1964) sowie in Roman Polanskis (90) Thriller "Wenn Katelbach kommt..." (1966). Und im Film-Musical "Die Mädchen von Rochefort" (1967) waren beide Schwestern als Zwillinge die Hauptdarstellerinnen.
Dann geschah das Drama, das Catherine Deneuve fast aus der Bahn warf. Am 26. Juni 1967 verunglückte Françoise Dorléac tödlich auf der Fahrt zum Flughafen Nizza. Sie wurde nur 25 Jahre alt. Für Catherine war es ein Schock, sie habe etliche Jahre gebraucht, um den Tod der geliebten Schwester zu verarbeiten, sagte sie später in einem Interview.
Eine beeindruckende Weltkarriere
Über 140 Spielfilme hat sie bislang gedreht und mit großen Regisseuren wie Roman Polanski, Luis Buñuel, François Truffaut, Benoît Jacquot, Régis Wargnier oder François Ozon gearbeitet. Sie spielte Heldinnen, Prostituierte, Mörderinnen, Intellektuelle, einmal sogar in "Begierde" (1983) eine lesbische Vampirin, die eine Wissenschaftlerin (Susan Sarandon) bezirzt.
Sie war fast zehn Jahre lang in den USA das Gesicht von Chanel. Sie hat nackt für den Playboy posiert (1965), verkörperte die französische Nationalfigur Marianne, wurde auf Briefmarken gedruckt und stand als Büste in den Rathäusern Frankreichs. Und sie hat gesungen (ohne Gesangsunterricht), im Duett mit Gérard Depardieu (74) oder Joe Cocker (1944-2014). Mit Chansons von Serge Gainsbourg (1928-1991) hat sie sogar ein ganzes Album aufgenommen.
Sie sagt ihre Meinung
Auch sonst hat sie den Mund aufgemacht, z. B. für die Liberalisierung von Abtreibung, gegen die Todesstrafe in den USA und den Ukraine-Krieg. Sie war "Goodwill Ambassador" der Unesco, Mitglied der Waris Dirie Foundation (gegen Genitalverstümmelung von Mädchen) und warb für "Ärzte ohne Grenzen", aber auch für das Flirten bei der #MeToo-Bewegung, was einen kleinen Aufstand erzeugte, für den sich die Deneuve entschuldigte und fortan zu diesem Thema schwieg.
Bei allen ihren Aktivitäten hat sie eines überzeugend verkörpert wie keine andere französische Frau: die Grande Dame. Sie pflegte den großen Auftritt einer nie ganz durchschaubaren Diva - ohne allzu viel von sich preiszugeben. Das gilt vor allem für ihre Liebschaften. Sie war nur einmal verheiratet und hat über die Institution der Ehe einmal erklärt: "Wozu heiraten, wenn es die Möglichkeit der Scheidung gibt?"
Die Männer in ihrem Leben
Ihre erste große Liebe war der Regisseur Roger Vadim (1928-2000), der Ex-Mann von Brigitte Bardot (89), der die Bardot zu einem Weltstar gemacht hatte. Von ihm bekam Catherine Deneuve 1963 den Sohn Christian Vadim (60), der ebenfalls Schauspieler wurde.
Von 1965 bis 1972 war sie mit dem englischen Modefotografen Davon Bailey (85) verheiratet, ein Hauptakteur des Swinging Londons, nach dessen Vorbild der Kultfilm "Blow Up" (1966) des Filmregisseurs Michelangelo Antonioni (1912-2007) gedreht wurde.
Die Liebe ihres Lebens war der italienische Filmstar Marcello Mastroianni (1924-1996). Er lebte bei Catherine Deneuve in Paris, war aber bis zu seinem Tod in Rom mit der Schauspielerin Flora Carabella (1926-1999) verheiratet. Die gemeinsame Tochter Chiara Mastroianni (51) kam 1972 in Paris zur Welt. Auch sie wurde eine erfolgreiche Schauspielerin.
Eng befreundet war Catherine Deneuve mit dem homosexuellen Modeschöpfer Yves Saint Laurent (1936-2008), der über 40 Jahre den Star eingekleidet hat. Nach seinem Tod hat Deneuve beim Verkauf ihres Anwesens in der Normandie "schweren Herzens" auch 300 Modestücke des legendären Designers versteigert.
"Sinnbild kontrollierter Eleganz"
Mit dem Alter hat die allürenfreie Deneuve so gut wie keine Probleme, wenn man einmal von einem leichten Schlaganfall vor vier Jahren absieht, den sie aber gut überstanden hat. Sie raucht weiterhin wie ein Schlot, sagt ziemlich unverblümt ihre Meinung, wenn es sein muss auch in Zeitungskolumnen, die sie selbst schreibt.
Das sei ja auch "sehr clever", meint die Autorin eines Geburtstagsporträts im "Arte-Magazin", "als Sinnbild kontrollierter Eleganz wahrgenommen zu werden und zugleich ein zutiefst unkonventionelles Leben zu führen." Sie selbst sagte mal über sich: "Ich bin eher unvernünftig, und mir sind Menschen lieber, die auch unvernünftig sind."
Sie hält nichts von übermäßigen Diäten, trägt mit würdevoller Nonchalance auffällige Leomäntel zu Pumps, großen Ohrringen und "honigblonder Föhnfrisur", obwohl sie doch eigentlich eine ergraute Brünette ist. Das Altern ist ihr ziemlich egal, sie bedauert dabei allenfalls die Männer, weil ja bekanntlich die Schwächung der sexuellen Leistungsfähigkeit einen großen Angriff auf das männliche Ego bedeute, wie sie der "Zeit" verriet.
Sie selbst habe sich dadurch nicht destabilisiert gefühlt, denn sie habe ja einen Garten: "Da lernt man was vom Wachsen und vom Vergehen." Die Spanne dazwischen kann inhaltsschwer und sehr langlebig sein. Bekanntlich wurde ihre Mutter Renée Simonot 109 Jahre alt.