Insgesamt 36,4 Millionen Mark verschwanden 1980 spurlos von den Konten der Metro, einem der größten Handelskonzerne der Welt. Und das ohne, dass einem der Zuständigen ist das klaffende Finanzloch zunächst aufgefallen wäre. Zwei Freunde aus dem Rheinland tricksten das vermeintlich unüberwindbare Sicherheitssystem aus und räumten die Metro-Konten leer. Dafür waren nicht einmal besondere technische Tricks erforderlich. Mit dem Geld machten sich die beiden Düsseldorfer eine schöne Zeit. Dieses skurrile Verbrechen sorgt auch heute noch für Kopfschütteln.
Der Millionen-Betrug, der Deutschland faszinierte
Auch die Motivation für das Verbrechen ist mehr als außergewöhnlich. Denn bei diesem Mega-Betrugsfall ging es nicht in erster Linie um das ergaunerte Geld, vielmehr war es eine Art Retourkutsche. Denn Günter Maximilian Schotte-Natscheff. einer der beiden Verantwortlichen und Finanzdisponent der Metro, fühlte sich von seinem Vorgesetzten gemobbt. Etwas, das damals noch eher selten thematisiert wurde, inzwischen sind damit immer häufiger Kinder konfrontiert. Da er täglich Millionen bewegte, suchte er sich für seine Rache einen ganz besonderen Weg. Und das lief so clever ab, dass sich die Rache des Finanzdisponenten zu einer gigantischen Blamage für den Handelskonzern entwickelte.
Gelungen wäre der dreiste Coup allerdings nicht, ohne Schotte-Natscheffs guten Freund und Partner Manfred Vowinkel. Der arbeitslose Kellner aus Düsseldorf stand ihm tatkräftig zur Seite. Denn trotz ihrer unterschiedlichen Lebenswege waren die beiden Männer unzertrennlich. Gemeinsam planten sie das, was als der "Metro-Millionen-Coup" bekannt werden sollte. Dabei war das Grundprinzip recht einfach: Nach und nach überwies der täglich mit Millionen jonglierende Schotte-Natscheff riesige Summen auf das Konto seines Partners Vowinkel. Mit dem Geld, in bar abgehoben, flohen die beiden schließlich zum damaligen Traumziel Rio de Janeiro und genossen dort das süße Leben unter dem Zuckerhut. Aber nur kurz.
Aus Rache: Dolce Vita an der Copa Cabana
Metro-Finanzdisponent Schotte-Natscheff entdeckte eine fatale Schwachstelle im Sicherungssystem seines Arbeitgebers. Was normalerweise in großen Unternehmen als unüberwindbare Sicherheitsbarriere gilt, entpuppte sich bei der Metro für ihn regelrecht als Einladung zum Millionenklau. Mithilfe eines simplen Codes, der ihm und seinem Chef bekannt war, konnte Schotte-Natscheff über Monate hinweg hohe Summen auf das Konto seines Freundes Vowinkel überweisen – ohne dass jemand davon Wind bekommen hätte.
Fast zwei Jahre lang nahm sich Schotte-Natscheff Zeit, um das System zu durchschauen, dann erst startete das große Abkassieren. Monat für Monat übertrug er zwischen 700.000 und 2,4 Millionen Mark auf das Konto von Vowinkel. Mit 31 Überweisungen transferierte der Finanzdisponent unter dem Strich insgesamt 36,4 Millionen Mark!
Niemand schöpfte Verdacht
Da er so vertraut mit dem Transfer von Metro-Geldern war und bestens über die Sicherheitslücken Bescheid wusste, war es für Schotte-Natscheff ein Kinderspiel, die Überweisungen so tarnen, dass sie wie reguläre Zahlungen an ein Partnerunternehmen wirkten. In den Verwendungszweck schrieb er verschlüsselte Hinweise, etwa "w/a-conto zahlung vertrag-nr.: 76534/80", was in den Büchern nicht weiter auffiel. Offenbar prüfte niemand nach, ob es diese Rechnungen und Verträge wirklich gab.
Die zur Freigabe der Beträge erforderlichen Unterschriften des Chefs fälschte Schotte-Natscheff kurzerhand selbst. Und offenbar gelang ihm das so gut, dass niemandem Zweifel an deren Richtigkeit kamen. So hielt er die Operation und den stetigen Geldfluss am Laufen, ohne dass jemand Verdacht schöpfte. Dem ungleichen Düsseldorfer Freundes-Duo gelang etwas, was normalerweise nur auf der großen Kinoleinwand zu sehen ist – mitten in Deutschland! Und das Beste: Nach nur vier Monaten hatten die beiden genug, Schotte-Natscheff kündigte. Aber nicht ohne seinen Arbeitgeber, die Metro, um ein gutes Zeugnis zu bitten.
Wenn Millionäre aus dem Nichts auftauchen
Der plötzliche Reichtum machte den arbeitslosen Kellner Vowinkel zum Star der Düsseldorfer Stadt-Sparkasse. Während hier die meisten Kunden nur kleine Beträge auf dem Konto hatten, konnte Vowinkel aus dem Vollen schöpfen: Er hob täglich Hunderttausende in bar ab und ließ den Großteil des Geldes als Termingeld liegen, um saftige Zinsen von um die 9 % zu kassieren. So wurde er quasi über Nacht zum gefragten VIP-Kunden, für den die Sparkassenangestellten bei seinen Besuchen sogar den Keller öffneten, wo er in den luxuriösen VIP-Kabinen bedient wurde. Gelegentlich kam auch Schotte-Natscheff vorbei und holte Bares – die nötigen ein bis zwei Köfferchen hatte er dabei.
Mit den abgehobenen Millionen ließen die beiden Gauner es so richtig "krachen", wie es so schön heißt. Sie lebten in Saus und Braus, gönnten sich exklusive Reisen ihm Jetset-Stil mit allen Extras. So unternahmen sie beispielsweise mit der legendären Concorde einen Trip nach Caracas und ließen stiegen bei einer Reise nach Paris natürlich im weltberühmten Ritz ab. Der Champagner soll bei den Gelegenheiten in Strömen geflossen sein. An Silvester veranstalteten die beiden eine rauschende Party im Lido. Für Vowinkel und Schotte-Natscheff war das Leben zu der Zeit ein einziges Fest. „Es war irre“, gestand Vowinkel später ein.
Wie Sicherheitslücken das Millionenchaos ermöglichten
Die Metro hatte zur damaligen Zeit für ihre Bankgeschäfte auf ein Sicherheitskonzept gesetzt, das eine entscheidende Schwachstelle hatte: der Sicherheitscode. Viele Unternehmen nutzen ein "gesplittetes" System, bei dem zwei unterschiedliche Sicherheitscodes täglich von verschiedenen Mitarbeitern verwaltet werden, um so das Risiko zu minimieren. Doch bei der Metro war lediglich ein Code erforderlich – und den hatten sowohl der Finanzdirektor als auch Schotte-Natscheff. So konnte der Finanzdisponent mit Leichtigkeit Millionen verschieben. Er musste einfach nur die Unterschrift des Chefs fälschen.
Aber auch die Stadt-Sparkasse Düsseldorf geriet später in die Kritik. Trotz auffällig hoher Geldein- und -ausgänge auf Vowinkels Konto schlugen keine Alarmglocken. Auch eine Plausibilitätsprüfung angesichts der hohen Summen wurde nicht durchgeführt. Stattdessen wurden seine großzügigen Geldanlagen als Zeichen von Seriosität interpretiert – mit teuren Konsequenzen. „Wir hatten das Gefühl, das ist ein sesshafter Kunde“, erinnerte sich der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse später.
Das Ende des Schwindels
Der ganze Plan flog erst auf, als die Metro-Zentrale in der Schweiz bemerkte, dass 36 Millionen Mark fehlten. Als der Konzern bei Kaufhof einsteigen wollte, wurden für die Finanzierung des Millionendeals sämtliche Konten geprüft – und jetzt fiel der Coup der beiden Rheinländer endlich auf. Ein Manager meldete den Verlust am Abend des 19. Januar der Polizei. Doch nun nimmt die Geschichte noch eine weitere, unerwartete Wende. Denn Metro-Manager Hannjörg Hereth kümmerte sich persönlich um die Angelegenheit. Der begeisterte Krimifan und insbesondere Agatha-Christie-Liebhaber reiste den beiden Tätern hinterher und kam so dem Verbleib der Metro-Millionen auf die Spur. Doch er war nicht der einzige. Die Unterwelt war inzwischen ebenfalls hinter dem Geld her.
Für die beiden Gelegenheits-Gauner stand somit nun alles auf dem Spiel – nicht nur ihre Beute, sondern auch ihr Leben. Vowinkel konnten die Behörden wenig später in der Wohnung seines Partners aufgreifen. Schotte-Natscheff dagegen sich bereits Anfang Januar nach Rio de Janeiro abgesetzt, um dort wieder das süße Leben zu genießen - 16 Koffer voller Geld im Gepäck.
Das Urteil im Metro-Fall
Am Ende wurden beide erwischt, bekamen vier und fünf Jahre Haft. Am 18. Dezember wurde das Urteil vom Landgericht Düsseldorf gesprochen. Schotte-Natscheff wurde wegen Urkundenfälschung und Untreue verurteilt, sein Komplize und damalige Lebensgefährte Vowinkel wegen Beihilfe. Wobei sich auch die Kriminalpolizei ein Schmunzeln über ihren cleveren und zugleich ausgesprochen dreisten Coup nicht verkneifen konnte.
Während Günter Schotte-Natscheff, der während seiner Haft noch ein Buch über den Fall geschrieben hatte, 1989 in Berlin an einem Hirntumor starb, ist der inzwischen 83-jährige Fred Voswinkel seit 2023 frisch verheiratet. Krimi-Fan und Metro-Manager Hereth fordert laut eigenen Angaben nach wie vor erfolglos einen Finderlohn.
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Verwendete Quellen:
Spiegel.de: VERBRECHEN: Es war irre
Wdr.de: Die Millionendiebe vom Rhein
Express.de: Nach dem 36-Millionen-Coup: Die emotionale Rückkehr des Metro-Räubers nach Düsseldorf