Am 13. Februar 1971 veränderte sich das deutsche Fernsehen: Ein schlaksiger junger Berliner, kaum 19 Jahre alt, betrat die Bühne der ZDF-Musikshow disco. Adrett gekleidet mit dunklem Anzug und großer Fliege begrüßte er das Publikum gewohnt höflich-distanziert – nur um im nächsten Moment alles umzuschmeißen mit einem ein jugendlich-lässigen: "Hallo Freunde!" Damit flogen dem jugendlichen Ilja Richter die Herzen insbesondere der jüngeren Zuschauer zu. disco war Kult – und blieb es seinetwegen, denn neben den angesagten Pop-Hits, wurde auch immer wieder "altbackener" deutscher Schlager für die Älteren gespielt.
Ilja Richter: Moderatoren-Ikone der 70er
Nicht nur durch die Tatsache, dass Ilja Richter die neuesten Hits in seiner Sendung präsentierte, wurde er zum Kult. Auch der Kontrast zwischen Gentleman und jugendlichem Rebellen traf den Nerv der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu der Zeit. Umso mehr, weil Richter nicht nur ausgesprochen humorvoll moderierte, sondern auch sich immer wieder in Sketch-Einspielern bei disco selbst auf die sprichwörtliche Schippe nahm. Er verband Musik und Comedy auf eine im deutschen Fernsehen bis dahin nicht dagewesene Art und Weise.
Doch was viele nicht wussten: Richter fühlte sich nie so richtig Zuhause in der Glitzerwelt der Popmusik. "Ich wollte ich sein – ein kleiner Gentleman, wie in altmodischen Filmen“, gestand er später in einem Interview. "Nur zufälligerweise betreute ich eine Popshow." Heute blickt Richter kritisch zurück auf seine Zeit beim Straßenfeger disco und findet insbesondere für seine Haltung unerwartet klare Worte.
Der Wandel eines Multitalents
"Es war Zeit für eine Abbitte“, schreibt Ilja Richter schonungslos ehrlich in seinem aktuellen Buch, das anlässlich seines 70. Geburtstags am 24. November herausgekommen ist. "Ich präsentierte Dummheit, die ich selbst erkannte, aber opportunistisch hinnahm." Nach 40 Jahren hat er die nötige Distanz, um auch Fehler offen und ehrlich einzugestehen. "Ich glorifiziere die 70er nicht", erklärt er, "aber lasse anderen gerne ihre Erinnerungen." Für sich selbst hat er jedoch eine ganz andere Sicht auf die Dinge: "Meine größte Zeit ist jetzt!"
Auch nach dem Ende von disco im Jahr 1982 blieb Richter dem TV dennoch erhalten, er blieb gefragt: Er spielte in beliebten Serien wie Tatortund Drei Damen vom Grill. Darüber hinaus eroberte Richter sich auch neue Einsatzbereiche, dank seiner markanten Stimme war er gefragt als Synchronsprecher, wie auch der inzwischen verstorbene Thomas Danneberg. Darüber hinaus etablierte er sich als erfolgreicher Theaterschauspieler und als Autor. Insbesondere die Arbeit abseits eines Millionenpublikums liegt ihm inzwischen besonders am Herzen. "Ich habe gelernt, die kleinen Formen zu lieben", sagt Ilja Richter heute über seine musikalischen Lesungen und geplanten Liederabende.
Ein Leben auf der Bühne – von Kindheit an
Richters Weg war schon früh vorgezeichnet. 1952 in Ost-Berlin geboren, eroberte er bereits in einem Alter, wo andere noch mit ihren Freunden Verstecken spielen, die Bühne. Mit acht Jahren hatte er bereits erste kleine Sprech-Einsätze für den Radiosender RIAS, ein Jahr später feierte er seine Theaterpremiere. In den späten 60er-Jahren avancierte er in Serien und Filmrollen zum Kinderstar. Ähnlich wie der kleine, blonde Frechdachs, den alle nur als "Michel aus Lönneberga" kannten.
Doch erst mit disco wurde Ilja Richter auch bundesweit bekannt. Als jüngster deutscher Moderator machte er Furore und war quasi über Nacht in nahezu sämtlichen deutschen Haushalten präsent. Diese Rolle aber brauchte auch viele Herausforderungen mit sich. "Ich war keine Zeitfurie", erklärte Richter einmal, "ich wollte nicht tragen, was andere trugen." Diesen zu der Zeit angesagten Glitzerfummel und Bühnenoutfits mit extrem weiten Schlaghosen und Plateau-Stiefeln waren so gar nicht sein Ding.
Von der TV-Ikone zum Autor und Theaterstar
Heute lebt Richter mit seiner Lebensgefährtin in Berlin-Pankow und begeistert ein Publikum, das ihn vor allem für seine Vielseitigkeit schätzt. Sein neues Buch "Nehmen Sie’s persönlich: Porträts von Menschen, die mich prägten" ist nicht nur ein Rückblick auf ein außergewöhnliches Leben, sondern auch eine Hommage an Persönlichkeiten, die Richter inspirierten.
Mit dem Humor und der Offenheit, die man bereits in den 70ern so sehr an ihm bewunderte, spricht Richter inzwischen auch über das Älterwerden: "Ich mache es mir nicht leicht, zu sagen, dass das Altern kein Problem ist", betont er. Doch der Schauspieler und Autor verweigert sich jedem Jugendwahn und bleibt auch trotz des einen oder anderen Altersfältchens er selbst: "Ich versuche nicht, das Alter zu verbannen, indem ich mir etwa die grauen Haare färbe."
„Meine größte Zeit ist jetzt“
Obwohl Ilja Richter über die Jahrzehnte große Erfolge als TV-Ikone, Schauspieler und Autor gefeiert hat, hörte er dennoch nie auf, sich neu zu erfinden. Mit musikalischen Lesungen, neuen Projekten wie einem geplanten Liederabend und seiner Liebe zur Bühne zeigt er, dass Kreativität keine Altersgrenzen kennt.
„Solche Projekte habe ich mir damals, in der hektischen Zeit von disco, nicht erlauben können“, sagt Richter. Heute genießt er deshalb umso mehr die Freiheit, seine Leidenschaften in kleinerem Rahmen auszuleben – und beweist, dass die wahre Größe eines Künstlers nicht von der Größe der Bühne abhängt. Mit 70 Jahren blickt Ilja Richter selbstbewusster denn in die Zukunft.
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Verwendete Quellen:
Tvspielfilm.de: "Meine größte Zeit ist jetzt!": TV-Legende Ilja Richter 40 Jahre nach "disco"
Radioeins.de: Ilja Richter über Menschen, die ihn prägen