Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (1942-2023) ist tot. Das meldet unter anderem die "Tagesschau" unter Berufung auf seine Familie. Demnach sei der CDU-Politiker am Dienstagabend zu Hause im Kreise seiner Familie friedlich eingeschlafen. Der gebürtige Freiburger (Breisgau) wurde 81 Jahre alt.
Aufsehenerregende Karriere in der Politik
Der Grandseigneur der Christdemokraten war der dienstälteste Parlamentarier, der im vergangenen Jahr gleich zwei Jubiläen feiern konnte: Am 18. September wurde er 80 Jahre alt und am 13. Dezember war er seit 50 Jahren Mitglied des Deutschen Bundestags.
Der promovierte Einser-Jurist, der unüberhörbar aus dem südbadischen Breisgau stammte, war anfangs Regierungsrat im Finanzamt Freiburg. Es folgte eine aufsehenerregende Karriere in der Politik: Er war Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramts unter Kanzler Helmut Kohl (1930-2017), Innenminister (im Kabinett Kohl und Kabinett Merkel), Finanzminister unter Kanzlerin Angela Merkel (69). Wolfgang Schäuble führte als Fraktionschef und Bundesvorsitzender die CDU, war Bundestagspräsident.
Er wird in die Geschichtsbücher als einer der Architekten der deutschen Wiedervereinigung eingehen, bei der er 1990 maßgeblich den Einigungsvertrag mit der damaligen DDR aushandelte. Auf seine Initiative wurde Berlin die neue Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland.
Nach Attentat im Rollstuhl
Trotz dieser großen Verdienste bleiben ihm die beiden höchsten politischen Ämter verwehrt: Wolfgang Schäuble war nie Bundeskanzler und nie Bundespräsident - was auch mit dem Ereignis vom 12. Oktober 1990 zu tun hat. Bei einer Wahlkampfveranstaltung im badischen Oppenau schoss ein psychisch kranker Attentäter auf ihn. Eine Kugel traf ihn durch die Brust ins Rückenmark, der damals 48-jährige Wolfgang Schäuble war vom dritten Brustwirbel an querschnittsgelähmt und saß fortan im Rollstuhl.
Ohne seine Familie wäre das Leben des Politikers Schäuble wohl anders verlaufen. In Gespräch mit dem ebenfalls gehandicapten Schauspieler und Theaterautor Peter Radtke (80) und dem "Süddeutsche Zeitung Magazin" sagte Schäuble im Oktober 2019, "zur Hälfte" säße auch seine Ehefrau Ingeborg (80) im Rollstuhl, weil sie "dieses neue Leben mit mir geteilt" habe. "Ob ich mich umgekehrt auch so verhalten hätte, ich weiß es nicht. Ich hoffe es. Die Kinder haben gar nicht so große Probleme mit der neuen Situation gehabt. Am meisten Probleme hatte unser Hund. Wir hatten damals einen Hund, der hat sich nie an den Rollstuhl gewöhnt, der kam einfach nicht mehr zu mir. Das war ganz furchtbar."
Er war Alterspräsident des Parlaments. "Ich gehe natürlich in die Fraktionssitzungen, aber ich versuche, meinen Rat nur zu geben, wenn ich danach gefragt werde. Und nicht einfach so. Ich kann die Alten nicht leiden, die sich ständig einmischen", erklärte er der "Süddeutschen Zeitung". Sein Mandat wäre bis 2025 gegangen, vor einem Jahr hatte Schäuble in einem Interview mit dem "Tagesspiegel" angekündigt: Dann "isch over".
Wolfgang Schäuble hinterlässt Ingeborg Schäuble, mit der er seit 1969 verheiratet war, sowie die vier gemeinsamen Kinder und vier Enkelkinder.