Gisèle Pélicot: Im Jahrhundertprozess verlässt das Opfer plötzlich den Gerichtssaal

Die 72-Jährige hatte darauf bestanden, dass der Prozess in Avignon öffentlich stattfindet. Doch dieser Satz am 25. Verhandlungstag ist zu viel für sie.

Gisèle Pélicot, Dominique Pélicot, Mazan, Avignon, Frankreich, Prozess, Vergewaltigungen
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DIE SCHRECKLICHSTEN VERBRECHEN DEUTSCHLANDS

Bislang zeigte die tapfere Gisèle Pélicot (72) aus dem kleinen französischen Dorf Mazan zeigt fast stoische Ruhe, während sie sich die grausamen Missbrauchsgeständnisse ihrer Peiniger anhörte. Sorgsam darauf bedacht, den Blicken der Männer auszuweichen. Selbst bei Entschuldigungsversuchen. Trotz der enormen Belastung, die die Aussagen und Videos der Taten im Rahmen des Prozesses vor dem Gericht in Avignon für sie bedeutet haben müssen. Doch jetzt brachte sie eine Aussage an ihre Grenzen. Gisèle Pelicot verlässt zum ersten Mal den Gerichtssaal. Was ein Mehrfachvergewaltiger sagt, ist zu viel.

Gisèle Pélicot: Ein Prozess, der Frankreich erschüttert

Dabei hatte Gisèle Pélicot zu Beginn der Gerichtsverhandlung selbst dafür gesorgt, dass der Prozess gegen die 52 Männer, die sie missbraucht haben, öffentlich geführt wird. Ihre klare Forderung: "Die Scham muss die Seiten wechseln." Ein mutiger Schritt, der dafür gesorgt hat, dass die jahrelangen Missbrauchs-Verbrechen nicht hinter verschlossenen Türen verhandelt werden. Etwas, worauf insbesondere die 52 Angeklagten gehofft hatten. Nun kommt jedes Detail ans Licht, in jeglicher Hinsicht. Etwas, das das 72-jährige Opfer bislang bewundernswert ertragen hat. Doch jetzt erschüttert eine Aussage Gisèle Pélicot zutiefst.

Am 25. Verhandlungstag muss sich Vincent C. zu den Vorwürfen äußern. Er ist sogar ein Mehrfachtäter, hat sich insgesamt zweimal an Gisèle vergangen hat – im Oktober 2019 und im Januar 2020. Seine Taten kann er nicht leugnen, denn sie sind durch verstörende Videos belegt, die auf dem Computer von Gisèles Ex-Ehemann Dominique Pélicot gefunden wurden. Er hatte seine Frau betäubt und sie dann selbst missbraucht oder sie von anderen Männern, die er im Internet fand, missbrauchen lassen. Das Ganze filmte er.

Die ganze Tragik der jahrelangen Tortur

Vor Gericht gibt Vincent C. angesichts der erdrückenden Beweise den sexuellen Missbrauch zu. Allerdings behauptet er, dass er nicht gewusst habe, dass Gisèle Pelicot mit dem Sex nicht einverstanden gewesen sei. Seine absurde Verteidigung: "Wenn der Ehemann zu mir sagt: ,Sie ist zu Bett gegangen, wir wecken sie’, dann entfällt für mich die Frage nach der Einwilligung." Außerdem habe er gedacht, das Paar hätte ihn eingeladen. Die Tatsache, dass die Frau schnarchte und offensichtlich schlief währenddessen, scheint ihn nicht weiter interessiert zu haben. Vincent C. erklärt auf Nachfrage des Richters: "Es diente dem Vergnügen des Paares."

Vincent C. versuchte weiter, den Missbrauch herunterzuspielen. Angeblich habe er „wenig Auswahl“ bei seinen Sex-Dates gehabt. Denn das Internet-Forum, auf dem er Dominique Pélicot kennengelernt hatte, sei nun einmal „kein Supermarkt“ gewesen. Für Gisèle Pelicot, die bislang immer alles tapfer ertragen hatte, ist dies zu viel. Sie steht auf, sagt: „Ich kann diesen Mann nicht ertragen“ und verlässt erstmals im Gerichtsverfahren den Saal. Sie selbst hatte den Begriff geprägt, die Vergewaltiger hätten sie als "Müllsack" genutzt, das komplette Fehlen an Empathie bei Vincent C. ist der beste Beweis dafür.

"Es diente dem Vergnügen des Paares"

Der Fall Pélicot hat Frankreich in Aufruhr versetzt. Es stellen sich viele tiefgreifende Fragen, etwa hinsichtlich toxischer Männlichkeit, wie auch die wiederholten Missbrauchsvorwürfe gegenüber Schauspieler Gérard Depardieu belegen. Aber auch die Definition einer Vergewaltigung ist ein wichtiges Thema. Denn davon ist laut französischem Recht nur dann die Rede, wenn eine sexuelle Handlung "mit Gewalt, unter Zwang, durch Bedrohung oder Überrumplung" herbeigeführt wurde. Aber wie sieht es bei einer Frau aus, die von ihrem Mann betäubt und im Schlaf missbraucht wurde?

In den Medien und in Diskussionsrunden fordern Feministinnen und Juristen deshalb vehement eine Neuformulierung der entsprechenden Gesetze, um das explizite Einverständnis zu sexuellen Handlungen in die Gesetzgebung aufzunehmen. Wobei insbesondere Gisèle Pélicots Anwalt Antoine Camus warnt, dass dies eine Falle sein könne. Vielmehr liege die Verantwortlichkeit letztlich doch bei den Tätern.

Gisèle Pélicots Vorbild macht Frauen Mut

Ein zentraler Punkt, insbesondere angesichts der Tatsache, dass auch Kinder und Jugendliche immer wieder mit sexuellen Übergriffen konfrontiert werden. So berichtete beispielsweise Baywatch-Ikone Pamela Anderson über Missbrauch in ihrer Kindheit. Ähnliche Vorfälle könnten auch die Ursache für den psychischen Zusammenbruch, den Turn-Olympia-Siegerin Simone Biles vor einiger Zeit hatte.

Das 72-jährige Opfer hat diesen Prozess mit ihrer Entscheidung, den Prozess öffentlich führen zu lassen, unwiderruflich verändert. Nicht nur in Frankreich, sondern weltweit wurde sie quasi über Nacht zur feministischen Ikone. Ihr Gesicht wurde als Grafitto bereits tausendfach geteilt. Obwohl sie mutmaßlich hundertfach von Fremden und auch von ihrem Ehemann missbraucht wurde, hat sie nicht nur ihren eigenen Peinigern die Stirn geboten, sondern auch unzähligen anderen Frauen weltweit Mut gemacht. Umso mehr angesichts der Tatsache, dass nun deutlich wurde, wie sehr Gisèle Pélicot trotz aller Stärke unter den jahrelangen Vergewaltigungen leidet.

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Verwendete Quellen:

Bild.de: Angeklagter sagt im Vergewaltigungs-Prozess aus: Bei diesem Satz verlässt die tapfere Gisèle zum ersten Mal den Gerichtsaal

Tagesschau.de: Vergewaltigungsprozess von Avignon: "Die Scham muss das Lager wechseln"

Prozess von Mazan: J.K.Rowling spricht über seine "Bewunderung" für Gisèle Pelicot Prozess von Mazan: J.K.Rowling spricht über seine "Bewunderung" für Gisèle Pelicot