Auch in der zehnten Staffel der Sat.1-Show "Hochzeit auf den ersten Blick" wagen wieder mutige Singles den Gang vor den Traualtar und heiraten jemanden völlig Fremdes. Von Anfang an dabei ist Dr. Sandra Köhldorfer (42), die als Teil des Experten-Trios die Paare zusammenstellt. Die österreichische Psychotherapeutin betreibt Praxen in Graz und Berlin. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news spricht sie über die Kritik an der Sendung, Herausforderungen in Beziehungen und Wünsche für ihre eigene Ehe. Im Finale der neunten Staffel 2022 hielt ihr Partner, der Amerikaner Ryan Bank, um ihre Hand an.
Welche Aspekte sind Ihnen besonders wichtig, wenn Sie ein Match für "Hochzeit auf den ersten Blick" auswählen?
Dr. Sandra Köhldorfer: Ich lege besonderen Wert auf Partnerwahl und Beziehungsmuster sowie wissenschaftliche Kriterien, die sinnvoll sind. Wir führen umfassende 360-Grad-Analysen durch, um herauszufinden, in wen sich dieser Mensch verliebt und mit wem aus wissenschaftlicher Sicht eine dauerhafte und glückliche Ehe möglich ist. Dabei berücksichtigen wir Wunschvorstellungen, Attraktivitätsfaktoren, psychologische Eigenschaften und Beziehungsfähigkeit. Es geht nicht nur um die Fähigkeit zu lieben, sondern auch um Kommunikation, Konfliktbewältigung, Emotionsregulation, psychische Belastbarkeit, soziale Fähigkeiten und sexuelle Kompatibilität. Gemeinsame Werte und Interessen sind ebenso wichtig wie Unterschiede und Ergänzungen. Was hat der andere, dass mir selbst fehlt? Und nicht zu vergessen: der Humor sollte zueinander passen.
Viele Paare aus der Sendung haben sich schnell wieder getrennt. Was glauben Sie, woran das liegt?
Dr. Köhldorfer: Viele Paare bleiben bei "Hochzeit auf den ersten Blick" aber auch zusammen. Trennungen treten oft aufgrund negativer Erfahrungen in der Anfangsphase auf, wenn die Verliebtheitsphase zu kurz ist oder noch nicht richtig gestartet ist und somit die Basis für die Bewältigung von Konflikten fehlt. Hohe Erwartungen können ebenfalls eine Rolle spielen. Wir dürfen nicht vergessen, dass selbst ein "perfekter Partner" nicht automatisch eine perfekte Beziehung garantiert. Eine Ehe erfordert Arbeit. Eine lohnenswerte Arbeit an sich selbst.
Zuschauer monieren immer mal wieder, dass die Matches nicht zusammenpassen. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?
Dr. Köhldorfer: Ja, ich verstehe diese Kritik. Die Zuschauer sehen aus Zeitgründen nicht alle Aspekte unserer umfangreichen Analyse, die als Grundlage für das Matching dient. Es ist auch für mich frustrierend und hart, wenn Paare, die wissenschaftlich betrachtet sehr gut zusammenpassen, und auch ich fest an das Paar glaube, sich dann doch nicht mögen. Einige Menschen urteilen zu schnell, ohne allen passenden Faktoren Zeit zu geben. Aber neben dem Monieren sehen unzählig viele Menschen auch, wie ausgesprochen gut unsere Paare zueinander passen.
Welches Paar ist Ihnen aus den bisherigen Staffeln besonders in Erinnerung geblieben und warum?
Dr. Köhldorfer: Das Paar Ramona und Stefan aus Staffel 3. Sie haben verstanden, dass die Ehe ein Ort ist, an dem jeder an sich selbst arbeiten kann. Durch ihre persönliche Entwicklung sind sie zu besseren Partnern geworden und erleben eine wachsende Liebe, die sich auch in ihrem Sohn Elias widerspiegelt.
Waren Sie von einer Trennung besonders überrascht?
Dr. Köhldorfer: Es gab Trennungen, von denen ich erst erfahren habe, als es zu spät war. Das bedauere ich, denn die Paare können sich jederzeit an uns wenden. Dennoch respektiere ich ihre Entscheidung, sich zu trennen. Es sind freie Menschen. Manchmal hätten rechtzeitige Gespräche vielleicht Trennungen verhindern können, aber es bleibt ihre Wahl.
Sie selbst heiraten bald. Was ist Ihnen für Ihre Hochzeit und Ihre Ehe wichtig?
Dr. Köhldorfer: Auch wenn wir wunderschöne erste Planungen haben, geht es mir weniger oder gar nicht um all das Äußerliche, sondern darum, wie wir uns dabei fühlen und dass wir vorbereitet ins Eheleben starten. Ich träume von einer Zeremonie voller Liebe, tiefer emotionaler Momente und dass wir mit unseren Familien und Freunden ausgelassen feiern können. Ryan und ich haben das Glück, ein außergewöhnliches, tolles Leben führen zu dürfen. Die Ehe soll für uns eine Festigung und Erweiterung sein.
Gibt es bei Ihnen und Ihrem Partner auch Streitthemen? Wie lösen Sie die Probleme?
Dr. Köhldorfer: Als starke Persönlichkeiten mit unterschiedlichem Hintergrund und Kultur haben wir eine gute Kommunikation entwickelt. Wir gönnen uns "time outs" und diskutieren Themen in Ruhe aus. Als Paartherapeutin ist es interessant, die Werkzeuge guter Kommunikation anzuwenden, die ich anderen Paaren lehre. Viele dieser Ansätze helfen uns, finde zumindest ich.
Was macht den Paaren, die zu Ihnen kommen, am meisten zu schaffen?
Dr. Köhldorfer: Häufig sind es negative Prägungen aus der Kindheit und der Elternbeziehung, die in der aktuellen Beziehung wieder auftreten und mit dem Partner wiederholt werden. Die Paare kommen weniger wegen Affären, sondern wegen Themen wie psychische Störungen oder Persönlichkeitsstörungen, z.B. Narzissmus, die belastend sein können. Oft geht es um krankmachende Verhaltensweisen und negative Dynamiken, die die Liebe auf Dauer beeinträchtigen.
Was können Sie Paaren, die in einer Krise stecken, grundsätzlich raten?
Dr. Köhldorfer: Krisen sind normal und müssen nicht das Ende bedeuten, sondern können auch Veränderungen einläuten. Die Liebe kann auch nach einiger Zeit der Abwesenheit wieder aufblühen. Suchen Sie Rat bei Menschen, die Pro-Beziehung sind und selbst eine gute Beziehung haben. Auch Paarberatung, oder bei schwereren Fällen Paartherapie, kann wunderbar helfen.
Wann macht es aus Ihrer Sicht keinen Sinn mehr, um eine Beziehung zu kämpfen?
Dr. Köhldorfer: Es gibt keine Pauschalantwort. Selbst Paare, bei denen es aussichtslos erschien und an die ich selbst nicht mehr geglaubt habe, haben es geschafft. Das Kämpfen lohnt sich aus meiner Sicht oft, auch wenn zeitweise nur einer kämpft. Aber es ist keine Garantie.
"Hochzeit auf den ersten Blick" feierte 2014 Premiere. Die aktuelle Jubiläumsstaffel läuft immer montags ab 20:15 Uhr in Sat.1 und bei Joyn.