In den 1970er Jahren wurden in Pommerœul, einer belgischen Stadt nahe der französischen Grenze, ein Grab und 76 Brandgräber entdeckt, die mit einer großen gallo-römischen Stadt an einem schiffbaren Fluss in Verbindung gebracht werden. Während die Brandgräber in die römische Zeit datiert wurden, blieb Grab Nummer 26 lange Zeit ein Rätsel für die Archäolog:innen.
Es enthielt ein einziges Skelett, dessen Knochen jedoch von mehreren Personen stammten, die im Abstand von mehreren Jahrtausenden gelebt hatten. Eine Studie, die am 23. Oktober 2024 in der Zeitschrift Cambridge University Press veröffentlicht wurde, enthüllt endlich die wissenschaftliche Erklärung hinter diesem Geheimnis.
Mehrere aufeinanderfolgende Datierungen im Laufe der Jahre
Das Skelett aus Grab 26 wurde in einer gebeugten Fötusposition gefunden. Diese Position ist für die römische Zeit untypisch, stimmt aber mit den Bestattungspraktiken des Spätneolithikums und der frühen Bronzezeit in der Region überein.
Die Wissenschaftler:innen glaubten zunächst, dass das Skelett zu einer einzigen Person gehörte. Das Auffinden einer römischen Stecknadel in der Nähe des Schädels brachte sie dazu, zu glauben, dass es einer Frau gehörte, die zwischen 69 und 210 n. Chr., also in der gallo-römischen Zeit, gelebt hatte.
Doch 2019 enthüllte eine Kohlenstoff-14-Datierung des Skeletts, dass einige Knochen noch aus der Steinzeit stammten. Es kann vorkommen, dass Skelette im Laufe der Jahrhunderte manipuliert werden, aber das ist selten. "Noch seltener ist es, zusammengesetzte Individuen zu finden, deren Skelettelemente durch Hunderte oder gar Tausende von Jahren voneinander getrennt sind", erklären die Forschenden.
Das Team fing also noch einmal ganz von vorne an, "indem es die Informationen über die Lage des Grabes und die Position des Körpers mit der osteologischen Analyse der Skelettelemente kombinierte und die Radiokohlenstoffdatierung, stabile Isotope und die Analyse der alten DNA (aDNA) verschiedener Skelettelemente einbezog".
Ein mysteriöses zusammengesetztes Skelett
Diese ungewöhnliche Mischung aus Knochen könnte verschiedene Ursachen haben. Das ursprüngliche Grab könnte tatsächlich in die Steinzeit datiert werden. Es wurde dann laut dieser Theorie 2.500 Jahre später von den Römern ausgehoben. Die Römer hätten dann einen Schädel und die Nadel, die in der Nähe des Schädels gefunden wurde, hinzugefügt.
Oder aber das Skelett wurde während der gallo-römischen Periode zusammengesetzt, indem ein Schädel aus der Römerzeit mit neolithischen Knochen kombiniert wurde. Die Römer hätten das Skelett demnach aus Aberglauben gebaut und "um sich einem Individuum anzunähern, das die Region vor ihnen besiedelt hatte", so die Wissenschaftler:innen. Womöglich enthielt das ursprüngliche Skelett keinen Schädel und sie hätten es ergänzt, oder sie entfernten wissentlich den Schädel aus der Jungsteinzeit.
Zumindest für die Forschenden gibt es keinen Zweifel: Das Skelett wurde absichtlich zusammengesetzt, erklärt die Studie:
Die Knochen wurden ausgewählt, ein geeigneter Platz gewählt und die Elemente sorgfältig angeordnet, um die korrekte anatomische Reihenfolge zu imitieren. Die daraus resultierende Grabstätte setzt große Sorgfalt und gute Planung sowie gute Kenntnisse der menschlichen Anatomie voraus.
Die Wissenschaftler:innen loben außerdem die vielfältigen Funde in dieser Stätte, die "zu unserem wachsenden Verständnis (...) menschlicher Bestattungspraktiken beiträgt und einen einzigartigen Verbindungspunkt zwischen der spätneolithischen und der römischen Welt bietet".
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Verwendete Quelle:
Cambridge University Press: Assembling ancestors: the manipulation of Neolithic and Gallo-Roman skeletal remains at Pommerœul, Belgium
Aus dem Französischen übersetzt von GEO