Verurteilte Mörderin Lucy Letby: Experten prüfen den Fall und "haben keine Morde gefunden"

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Lucy Letby, eine ehemalige Krankenschwester auf der Neugeborenen-Intensivstation, wurde wegen des Mordes an sieben Babys und des versuchten Mordes an sieben weiteren im Countess of Chester Hospital zwischen 2015 und 2016 verurteilt. Sie wurde mehrfach verhaftet, und ihr Prozess begann schließlich im Jahr 2022. Der zehnmonatige Prozess endete 2023 mit ihrer Verurteilung. Ein Mitglied der Polizei erklärte zuvor, warum es so lange dauerte, Lucy festzunehmen.

In der Zwischenzeit wurde eine Gerechtigkeitskampagne für Lucy gestartet, da einige Menschen ihren Fall als den "größten Justizirrtum in der Geschichte des Vereinigten Königreichs" betrachteten. Sie verbüßt derzeit 15 lebenslange Haftstrafen ohne Möglichkeit auf Bewährung.

Ein Gremium von 14 internationalen medizinischen Expert:innen hat nun Zweifel an ihrer Verurteilung geäußert und angedeutet, dass die Todesfälle und Verletzungen eher auf natürliche Ursachen oder medizinische Fahrlässigkeit als auf vorsätzliche Schädigung zurückzuführen sein könnten.

Neue Erkenntnisse im Fall Lucy Letby durch medizinische Expert:innen

Laut der BBC hat ein Team von 14 medizinischen Expert:innen, darunter Spezialist:innen aus Kanada, den USA, Japan, Deutschland, Schweden und dem Vereinigten Königreich, eine gründliche Überprüfung der während Lucys Prozess vorgelegten medizinischen Beweise durchgeführt. Ihre Ergebnisse, angeführt von dem kanadischen Experten für Neonatalmedizin, Dr. Shoo Lee, wurden in einer Pressekonferenz vorgestellt.

Der "unparteiische, evidenzbasierte Bericht" legt nahe, dass es keine solide medizinische Grundlage für die Mordverurteilungen gab. Dr. Lee erklärte, dass die detaillierte Analyse des Gremiums alternative Erklärungen für jeden der fraglichen Vorfälle gefunden habe. Er sagte:

Wir haben keine Morde gefunden. In allen Fällen waren Tod oder Verletzungen auf natürliche Ursachen oder schlicht schlechte medizinische Versorgung zurückzuführen.

Lucy wurde wegen sieben Morden und sieben versuchten Morden angeklagt. Unserer medizinischen Meinung nach stützen die vorgelegten Beweise keinen einzigen Mord in einem dieser Fälle.

Unser vollständiger Bericht wird später in diesem Monat an Lucys Anwalt übergeben, und dann liegt es an ihm und den Gerichten zu entscheiden, wie es weitergeht.

Er widersprach ausdrücklich der Behauptung, dass eine Luftembolie – eine der Hauptmethoden, die Lucy vorgeworfen wurden – die Todesfälle verursacht haben könnte. Unter Verweis auf seine eigene akademische Arbeit aus dem Jahr 1989 über Luftembolien, die auch in der Anklage verwendet wurde, stellte er klar, dass die Studie nur Fälle von versehentlicher Luftembolie in Arterien und nicht in Venen dokumentiert hatte.

Der Bericht des Expert:innen-Panels hob außerdem mehrere Fälle hervor, in denen medizinische Fahrlässigkeit oder unzureichende Versorgung für den Tod der Babys verantwortlich gewesen sein könnten, berichtet der Guardian. Laut den Ergebnissen des Gremiums war die Neonatalstation des Countess of Chester Hospitals unterbesetzt, hatte schlechte medizinische Abläufe und reagierte nicht angemessen auf kritische Zustände.

Lucys Anwälte haben nun einen Antrag bei der Criminal Cases Review Commission (CCRC) gestellt, um ihren Fall als möglichen Justizirrtum untersuchen zu lassen. Die Kommission wird entscheiden, ob die neuen medizinischen Erkenntnisse ausreichen, um eine Berufung oder ein neues Verfahren zu rechtfertigen. Lucys Anwalt, Mark McDonald, sagte:

Das Wichtigste, der Grund, warum Lucy Letby verurteilt wurde, war die medizinische Beweislage, die der Jury präsentiert wurde – und genau diese wurde heute widerlegt.

Welche Anklagen wurden gegen Lucy Letby erhoben?

Lucy Letby wurde 2023 nach einem zehnmonatigen Prozess am Manchester Crown Court verurteilt. Die Staatsanwaltschaft argumentierte, dass sie Babys in ihrer Obhut absichtlich auf verschiedene Weise geschädigt habe, darunter das Injizieren von Luft in ihre Blutbahnen, das Vergiften mit Insulin und das Zwangsfüttern mit Milch.

Sie wurde für schuldig befunden für:

Der Ermordung von sieben Babys durch das Injizieren von Luft in ihre Venen oder Mägen, was zu tödlichen Kollapsen führte
Dem versuchten Mord an sieben weiteren Babys mit ähnlichen Methoden
Der Vergiftung von zwei Säuglingen mit Insulin
Dem Zwangsfüttern mit Milch und der Verursachung von Bauchtraumata bei einigen Neugeborenen

Während des Prozesses stützte sich die Staatsanwaltschaft auf die Aussagen von Expert:innen, die nahelegten, dass die Todesfälle durch unnatürliche Ursachen verursacht wurden. Lucys Verteidigung hingegen argumentierte, dass es auf der Station systemische medizinische Mängel gab, die zu vermeidbaren Todesfällen führten.

Sie hat alle gegen sie erhobenen Vorwürfe stets bestritten und bereits zwei Berufungen gegen ihre Verurteilung verloren.

Zeitleiste der Ermittlungen gegen Lucy Letby

Der Fall Lucy Letby zählt zu den erschütterndsten medizinischen Kriminalfällen im Vereinigten Königreich. Hier ist eine kurze Chronologie ihrer Ermittlungen und Verhaftung, basierend auf Informationen des Guardian und Independent:

8. Juni 2015 – 22. Juni 2015: Drei Morde und ein versuchter Mord ereignen sich unter Lucys Aufsicht.
Ende Juni/Juli 2015:Interne Untersuchung: Ärzt:innen äußern Bedenken und initiieren ein Treffen aufgrund verdächtiger Todesfälle, die mit Lucy in Verbindung stehen.
4. August 2015 – 23. Oktober 2015: Zwei Morde und zwei versuchte Morde werden dem Krankenhaus gemeldet.
8. Februar 2016:Thematische Überprüfung: Eine Untersuchung der ungewöhnlich hohen Sterblichkeitsrate ergibt keine eindeutige Ursache, wirft jedoch weiterhin Fragen über Lucys Rolle auf.
17. Februar 2016 – 25. Juni 2016: Vier versuchte Morde und ein weiterer Mord werden bekannt.
29. Juni 2016:Interne Bedenken: Ärzt:innen treffen sich, um die unerklärlichen Vorfälle zu besprechen, und drängen das Krankenhaus, Lucy zu entfernen.
30. Juni 2016: Lucy arbeitet ihre letzte Schicht auf der Neonatalstation.
19. Juli 2016:Verwaltungsaufgabe: Lucy wird in die Patientenbetreuungsabteilung des Krankenhauses versetzt.
7. September 2016: Lucy reicht eine offizielle Beschwerde gegen ihren Arbeitgeber ein.
18. Mai 2017:Polizeiliche Ermittlungen beginnen: Die Polizei von Cheshire leitet eine Untersuchung zu den Todesfällen und Kollapsen im Krankenhaus ein.
3. Juli 2018: Lucy wird in ihrem Haus in Chester verhaftet, und weitere Durchsuchungen finden statt.
10. Juni 2019: Lucy wird erneut verhaftet.
10. November 2020:Dritte Verhaftung und Anklage – Lucy wird erneut verhaftet und wegen mehrfachen Mordes und versuchten Mordes angeklagt. Zwei Tage später erscheint sie zum ersten Mal vor Gericht.
4. Oktober 2022:Prozessbeginn – Lucys Prozess beginnt am Manchester Crown Court.
21. August 2023:Schuldig gesprochen – Lucy wird wegen sieben Morden und sechs versuchten Morden verurteilt. Sie erhält 14 lebenslange Haftstrafen.
24. Mai 2024:Berufung abgelehnt – Lucy verliert ihren Antrag auf Berufung gegen ihre Verurteilung.
12. Juni 2024:Neuverfahren beginnt – Ein erneuter Prozess wegen eines der versuchten Morde wird eingeleitet.
2. Juli 2024:Schuldig – Lucy wird des siebten versuchten Mordes für schuldig befunden.
5. Juli 2024:Lebenslange Haftstrafe – Lucy erhält eine weitere lebenslange Haftstrafe nach der Verurteilung für den siebten versuchten Mord.